what would you say…?
WHAT WOULD YOU SAY…?
Ein Gespräch zum “Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie” mit Julius K.
Mit unserer Imagekampagne “What would…?” rufen wir zu mehr Toleranz, Liebe, Respekt und Freiheit auf. Wir wollen sichtbar machen, was unsichtbar ist. Und wir möchten anregen, neue Blickwinkel einzunehmen. So zählt zu den Protagonisten unserer Kampagne auch eine Transperson. Was für uns normal ist, wollen wir auch für Andere selbstverständlich machen. Um diesem Thema mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz zu verleihen, haben wir zum “Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie” stellvertretend das Gespräch mit Julius K. gesucht. Julius war früher Julia. Er teilt mit uns hier seinen persönlichen Weg, den Blick auf die Dinge und Wünsche im Umgang mit Menschen, die Geschlechtergrenzen überschreiten.
Lieber Julius, vielen Dank erst einmal, dass du dir Zeit für uns nimmst.
Hand aufs Herz: Wie findest du unsere Kampagne und begrüßt du es, dass eines unserer Models eine Transperson ist?
Ich finde es sehr gut. Mir gefällt sowohl die Kampagne, als auch die Tatsache, dass euer Model eine Transperson ist. Es ist sehr wichtig, diese Thematik zu streuen und vor allem offen damit umzugehen. Nichts ist schlimmer, als Lästereien, bzw. Vorurteile durch Unwissenheit. Meiner Meinung nach hilft da nur Offenheit, Transparenz und permanente Kommunikation auf sämtlichen Plattformen, damit man Hemmungen, Vorurteile und Berührungsängste verliert und feststellt, dass das eigentlich ganz „normale“ Menschen sind.
Nun ist es ja so, dass immer noch sehr viel Unwissen herrscht, was der Unterschied zwischen Transgender, Transvestit und Transsexuell bedeutet. Kannst du uns in deinen Worten erklären, worin die Unterschiede liegen?
Guter Punkt. Tatsächlich verwechseln viele Transgender mit Transvestit. Der große Unterschied ist, dass die meisten Transgender alles andere als auffallen wollen. Ein Transvestit ist eine*r, die*der bewusst mit Geschlechterrollen spielt. Darauf liegt die Gewichtung: während der Transvestit spielt, meint der Transgender es todernst und die Tatsache, dass diese*r sich im falschen Körper fühlt, ist für jene*n keine Frage von Stunden, in denen er*sie sich als Mann oder Frau verkleidet, sondern eine, die die Existenz bedrohen. Es ist ein Unterschied, ob ich mal im anderen Geschlecht auftreten, erscheinen, wahrgenommen werden möchte, oder ob meine Identität entgegen meines biologischen Geschlechts tatsächlich gegeben ist. Transsexuell ist auch eine Bezeichnung für Transgender, trifft aber die Problematik leider nur zum Teil und ist so erstmal falsch, da das Wort „sexuell“ sich ja auf die sexuelle Orientierung bezieht, wie z.B. „homosexuell“, und das nichts damit zu tun hat. Also, ich kann Transmann (geboren mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen, Geschlechtsidentität aber männlich) sein, und trotzdem mit einem Mann zusammen sein. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.
“Wir stehen da nur stellvertretend in einer Gesellschaft, die vielleicht manchmal zu feige ist, sich über sich selbst bewusst zu werden.”
Du hast dich vor einigen Jahren für ein Leben als Mann entschieden. Wie hat dein Umfeld auf diesen Schritt reagiert?
Ich habe mich vor ca. 8 Jahren für ein Leben als Mann entschieden, aber es war mir schon viel früher klar, ich sage immer, als ich angefangen habe, mir meiner bewusst zu werden, also so mit ca. 5 Jahren. Ab da habe ich eigentlich angefangen, als damals noch kleiner Junge zu leben. Ich wollte meine Haare kurz und keine Kleider mehr anziehen. Von daher war der Schritt vor ca. 8 Jahren, meine Anpassung konsequent durchzuziehen, keine besondere Hürde für meine Umgebung, sondern eigentlich nur logisch und aufklärend.
Niemand ist da aus allen Wolken gefallen, im Gegenteil, es wurde sich mit mir gefreut und ich wurde unterstützt und begleitet, wo es nur ging. Dafür bin ich sehr dankbar, da ich weiß, wie schwierig es für viele ist und mit wie vielen Hindernissen sie kämpfen haben. Deswegen ist es so wichtig, offen darüber zu reden, denn damit wäre vielen schon geholfen.
Wie wichtig ist es dir heute, anderen Menschen von deiner Geschichte zu erzählen oder ist das für dich gar kein Thema mehr?
Mir ist es sehr wichtig, anderen Menschen von meiner Geschichte zu erzählen, deswegen bin ich auch sehr froh, hier eine Plattform bekommen zu haben. Trotzdem muss ich auch ehrlich sagen, dass ich mich mittlerweile freue, einfach nur im Strom mit schwimmen zu können und nicht weiter groß aufzufallen, sondern einfach nur ein ganz normaler junger Mann sein zu dürfen.
Was ist dein Wunsch an die Gesellschaft im Umgang mit Transpersonen und wie können wir alle dazu beitragen, dass „Anders sein“ als normal angesehen wird?
Mein Wunsch wäre, dass offen kommuniziert wird, Berührungsängste minimiert werden. Das Thema sollte weit gestreut werden, dass z.B. Eltern, deren Kind „transident„ ist, ein langer Leidensweg erspart bleibt, da man heute durch eine sog. vorpubertäre Hormontherapie vieles in andere Bahnen lenken kann und kräftezehrende, risikoreiche Operationen oder später dann massive psychische Probleme aufgrund der Diskrepanz zu dem gefühlten und biologischen Geschlecht dem jungen Menschen erspart bleiben würde.
Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass die Identitätskämpfe, die eine Transperson auszufechten hat, jede*n betreffen. Meiner Meinung nach sollte sich jede*r fragen, wieviele weibliche bzw. männliche Attribute in ihm*ihr wohnen, und wieviel sie*er davon ausleben und fühlen darf. Wir stehen da nur stellvertretend in einer Gesellschaft, die vielleicht manchmal zu feige ist, sich über sich selbst bewusst zu werden. Ich meine nicht, dass alle trans sind, sondern eher, dass es ein enormes Selbstbewusstsein bedarf, sich zu trauen, man selbst zu sein mit allen Konsequenzen.
Von daher sollten Transpersonen mit Respekt und nicht mit Ablehnung behandelt werden. Denn die sind sich definitiv über sich selbst bewusst und haben angefangen, danach zu leben.